Beständiger Wandel

Der Kunstkanal ist ein im Jahre 2012 gegründeter Verein zur Förderung transdisziplinärer Künste & Technologien in Wien Leopoldstadt. Auf 650 m² bietet der Verein temporäre Ausstellungs-, Diskussions-, Veranstaltungs-, und Projektflächen und beherbergt permanente Werkstätten, Ateliers, Lager und Büros für Start Ups und kreativ Tätige. Ein Drittel der Fläche wird gemeinschaftlich genutzt, dies fördert den Austausch und bringt Prozesse und Methoden zum Schöpfen von Neuem in Gang. Zur Zeit arbeiten über 20 Mitglieder aus den Bereichen Design, Kunst, Philosophie, Film, Musik, Technik, traditionellem Handwerk, sozialer Arbeit, Architektur & Wirtschaft in unseren Räumlichkeiten.

Unser Vereinsheim befindet sich hinter der unscheinbaren Fassade eines Wohnhauses in der Ulrichgasse. Seit Mitte 2011 baut der Verein die ehemaligen Lagerräume zu einem großen Atelier- und Werkstättenquartier um und kann mittlerweile ein großes Repertoire an individuellen Räumlichkeiten anbieten. Die Flächen werden an Kunstschaffende, neue Selbstständige, HandwerkerInnen und andere Personen des kreativen und digitalen Bereichs vergeben. Mit der Zeit erwuchs daraus ein starkes Kollektiv mit weit gestreuten Kompetenzen.

Gleichzeitig hält sich der Verein die Möglichkeit offen, eigene Projekte durchzuführen und Ideen zu realisieren. Mittlerweile besteht ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen langfristig an Personen vermieteten Werkräumen sowie Flächen, die der Verein für Projekte zur Verfügung stellen und für eigene Veranstaltungen verwenden kann. Das Areal liegt direkt am Donaukanal und ist durch die Nähe zu Schwedenplatz und Nestroyplatz sehr gut öffentlich zu erreichen. Kennzeichnend für die Lage ist das für den zweiten Bezirk ausgewogene Verhältnis zwischen Grünlage und urbanem Stadtbild. Diese Ambivalenz holen wir uns von draußen nach drinnen hinein. Denn sowie wir auf Fortschritt, technische Finesse und industrielles Design stehen, so legen wir Wert auf eine nachhaltige und ressourcenschonende Arbeitsweise.

In diesem Sinne bauen wir Schritt für Schritt unsere Räumlichkeiten um. Fertig sind wir allerdings noch lange nicht. Der Kunstkanal unterliegt einem beständigen Wandel und sobald Umbauprojekte abgeschlossen sind, keimen bereits neue Ideen. Der baustellenartige Charakter bleibt also noch länger bestehen - dennoch ist der Kunstkanal bereits jetzt in der Lage, zentralen und attraktiven Raum zu günstigen Konditionen anzubieten.


Transdiszisplinäre Interaktion

Eine Herausforderung für transdisziplinäres Arbeiten stellt wohl besonders grenzübergreifende Interaktion dar. Seit Beginn des Kunstkanals wurde bewusst auf eine heterogene Auswahl hin sichtlich Herkunft und durchmischte Sozietät geachtet. Dieser Grundsatz hat sich erfolgreich durchgesetzt, sodass im Kunstkanal tagtäglich unterschiedliche Sprachen verwendet werden und kultureller Austausch stattfindet. Zudem animiert dies nicht nur neue Mitglieder, sondern auch BesucherInnen konkret ihren Horizont zu erweitern und über den eigenen Tellerrand zu blicken.


Als grundlegender Katalysator von Diskursen und dem Entstehenden geteilter Erfahrungen bedienen sich unsere Mitglieder unterschiedlicher Sprachen. Unsere derzeitigen Mitglieder stammen aus acht Staaten: Österreich, Deutschland, Frankreich, Australien, Italien, Iran, Spanien und den USA.


Unsere Schwerpunkte

Zusammenführung unterschiedlicher künstlerischer Disziplinen Kultureller Austausch und internationale Vernetzung Aktuelle Tendenzen der Gegenwartskunst JungunternehmerInnen und Start Ups Nachhaltige, ressourcenschonende und solidarische Denkweisen Handwerk, Technologien sowie bildender und medialer Künste.


Grundsätze

Basisdemokratie, Geschlechterneutralität, Progressivität, Unabhängigkeit, Weltoffenheit, Emanzipation, Solidarität und Zusammenhalt, Heterogenität, Entfaltung der individuellen künstlerischen Persönlichkeit



Schwalben, Schuhe, Zeitungshalter

Autor: Dominik Schaden

Über zwanzig Personen haben im Kunstkanal einen Platz gefunden ihre Ideen in Taten umzusetzen. Das Ergebnis kann sich im Zuge der Geschenkwerkstätte sehen lassen. Von Schuhen aus nachhaltigem Leder, über klassische Zeitungshalter, bis hin zu Kleiderhaken in Schwalbenform; das alles und vieles mehr wird hier im Kunstkanal in mühe- wie liebevoller Handarbeit produziert. Dabei ist das Projekt aus einer Not heraus entstanden. Studium, fixe Anstellung, 13.- und 14. Monatsgehalt, fünf Wochen Urlaub im Jahr; diese Zeiten sind für junge Menschen vorbei. Der Kunstkanal machte daraus kurzerhand eine Tugend.


Dicke Socken statt Förderungen
Hinter dem eigens gegründeten Verein mit dem sperrigen Namen „Verein zur Förderung transdisziplinärer Künste und Technologien“ verbirgt sich die Idee, den schwieriger werdenden ökonomischen Rahmenbedingungen im Kollektiv entgegenzutreten, um – im Idealfall – individuellen Erfolg zu ermöglichen. Denn die Generation Praktikum muss kreativ sein. Sie muss Unternehmergeist haben. Und sie muss bereit sein, finanzielle Risiken einzugehen. In einem Wort: sie soll Start-Ups gründen. Und keine Vereine. Vorstandsmitglied Milan Ammél kann ein Lied davon singen. Der eloquente Deutsche ist seit der Gründung 2012 dabei und so etwas wie die gute Seele des Vereins. Vor allem in den Anfangsjahren seien die finanziellen Schwierigkeiten groß gewesen, berichtet er. Gefördert würden eben nur Unternehmensgründungen, aber keine Vereine. Ohne eine private Geldspritze wäre das Projekt gestorben, denn der Kunstkanal ist bewusst nicht marktwirtschaftlich organisiert. Im Gegensatz zu anderen Co-Working Spaces (d.h. Gemeinschaftsbüros) der Stadt, an denen in Fertigteil-Büroboxen anonym nebeneinander gearbeitet werde, wie Milan betont.



Der letzte Korbflechter Wiens
„Zwanzig Euro kostet die Mitgliedschaft bei uns im Jahr. Die jeweilige Miete ist dann abhängig von der Größe des Arbeitsplatzes.“, erklärt er die finanziellen Rahmenbedingungen. Verdienen tue der Verein an der Vermietung nichts. Es gehe darum die Miete so günstig wie möglich zu halten. Dazu gehöre halt auch, im Winter dicke Socken zu tragen. „Aber im Keller gibt es seit diesem Jahr einen Holzofen.“, freut sich Luc Bouriel. Der Franzose ist ebenfalls seit den Anfangsjahren dabei und der einzig verbliebene Korbflechter Wiens. Anfangs habe Luc die Weidenruten daheim in der Badewanne eingeweicht, aber irgendwann sei die Wohnung zu klein für die steigende Auftragslage geworden. Über eine Anzeige ist er dann auf den Kunstkanal gestoßen. Sein Kerngeschäft mittlerweile: die für das Wiener Kaffeehaus typischen Zeitungshalter. Sich erfolgreich durch den Behördendschungel der Selbstständigen zu schlagen, wäre ohne die Unterstützung der Kollegen im Kunstkanal kaum vorstellbar gewesen. Und damit ein traditionelles Handwerk mehr gestorben.


Jeder ist Willkommen
„Natürlich funktioniert das hier ein bisschen wie in einer WG.“, meint Milan. Hinter ihm an der Tür hängt die Hausordnung. Und wie in jeder guten WG kommen die Leute in der Küche zusammen. Für Milans Kalender-Serie habe Wolfgang – ein Typograph – eine eigens kreierte Schriftart zur Verfügung gestellt. Ganze zwei Jahre dauerte die Entwicklung der Schrift. Diese Symbiosen sind kein Zufall, sie sind Ziel des Vereins. Der Kunstkanal legt wert darauf, Leute aus den verschiedensten Bereichen aufzunehmen. Das Wichtigste sei dabei, dass die Chemie stimme und sich die neuen Mitglieder einbringen.





Text: Milan Ammel, Nora Dibowski, Dominik Schaden / Fotos: Christoph Kirmaier, Nora Dibowski, Milan Ammel, Luc Bouriel, Robert Marcus Klump, Edwina Sasse

Kunstkanal
Ulrichgasse 1, 1020 Wien
ZVR Nr. 606565210